Organschaft: Keine Anerkennung bei fehlendem Ausweis des Verlustausgleichsanspruchs in der Bilanz

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für GmbH-Geschäftsführer

06 / 2020

Organschaft: Keine Anerkennung bei fehlendem Ausweis des Verlust­ausgleichs­anspruchs in der Bilanz

von HVO GmbH

| Eine ertragsteuerliche Organschaft ist an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft, wie ein Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein verdeutlicht. Danach wird der Gewinnabführungsvertrag nicht tatsächlich durchgeführt, wenn die Organgesellschaft den ihr gegenüber der Organträgerin zustehenden Anspruch auf Verlustübernahme in ihrer Bilanz nicht ausweist. Das soll selbst dann gelten, wenn die Organträgerin den Verlustbetrag tatsächlich erstattet. Gegen diese Entscheidung ist die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig. |

Hintergrund: Verpflichtet sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag ihren Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft unter gewissen Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Eine der Voraussetzungen ist, dass der Gewinnabführungsvertrag eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren hat und tatsächlich durchgeführt wird.

MERKE |

Der korrekten bilanziellen Abbildung der Organschaft und der tatsächlichen Durchführung des Gewinnabführungsvertrags muss erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es spricht viel dafür, dass selbst geringfügige Verstöße als schädlich beurteilt werden, gleichgültig, ob die steuerlichen Folgen für die Beteiligten günstig oder nachteilig sind. Der Nichtausweis der Forderung in der Bilanz stellt im Übrigen so die Ansicht des Finanzgerichts Schleswig-Holstein von vornherein keinen nur geringfügigen Mangel dar.

Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6.6.2019, Az. 1 K 113/17, Rev. BFH Az. I R 37/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 215392

Voraussetzungen für eine steuerbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Unternehmer

06 / 2020

Voraussetzungen für eine steuerbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis

von HVO GmbH

| Eine tarif- bzw. steuerbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis setzt u. a. voraus, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen Tätigkeit entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Wann eine „definitive“ Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend ist nach einem aktuellen Beschluss des Bundesfinanzhofs auch keine „Wartezeit“ von mindestens drei Jahren einzuhalten. |

Neben der Dauer der Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit sind insbesondere zu berücksichtigen:

  • die räumliche Entfernung einer wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis,
  • die Vergleichbarkeit der Betätigungen,
  • die Art und Struktur der Mandate sowie
  • die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswerts.

Je nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Zeitraum, der zwischen der Veräußerung der Praxis und der Wiederaufnahme der selbstständigen Tätigkeit liegen muss, von etwa zwei bis drei Jahren ausreichend sein.

Es ist grundsätzlich unschädlich, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird. Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit ist zulässig. Denn der Bundesfinanzhof hat bereits 1991 entschieden, dass die Fortführung einer freiberuflichen Tätigkeit in geringem Umfang unschädlich ist, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten.

MERKE |
Eine geringfügige Tätigkeit des Veräußerers ist nach Meinung des Bundesfinanzhofs auch dann nicht zu beanstanden, wenn sie die Betreuung neuer Mandate umfasst.

Das Bundesfinanzministerium hat hier allerdings eine andere Sichtweise: Die Hinzugewinnung neuer Mandate/Patienten innerhalb der „gewissen Zeit“ nach der Betriebsaufgabe ist auch ohne Überschreiten der 10 %-Grenze in jedem Fall schädlich, da eine Betriebsaufgabe dann tatsächlich nicht stattgefunden hat.

Quelle | BFH, Beschluss vom 11.2.2020, Az. VIII B 131/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 214598; BFH-Urteil vom 7.11.1991, Az. IV R 14/90; BMF-Schreiben vom 28.7.2003, Az. IV A 6 S 2242 4/03

Vorsteuervergütungsverfahren: Anträge bis 30.9.2020 stellen

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Unternehmer

06 / 2020

Vorsteuervergütungsverfahren: Anträge bis 30.9.2020 stellen

von HVO GmbH

| Die EU-Mitgliedstaaten erstatten inländischen Unternehmern unter bestimmten Bedingungen die dort gezahlte Umsatzsteuer.

Ist der Unternehmer im Ausland für umsatzsteuerliche Zwecke nicht registriert, kann er die Beträge durch das Vorsteuervergütungsverfahren geltend machen. Die Anträge für 2019 sind bis zum 30.9.2020 über das Online-Portal des Bundeszentralamts für Steuern zu stellen. Weitere Einzelheiten erfahren Sie unter www.iww.de/s3640. |

Bestimmung der „ortsüblichen Marktmiete“ bei verbilligter Vermietung

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Vermieter

06 / 2020

Bestimmung der „ortsüblichen Marktmiete“ bei verbilligter Vermietung

von HVO GmbH

| Eine Vermietung zu Wohnzwecken gilt als vollentgeltlich, wenn die Miete mindestens 66 % des ortsüblichen Niveaus beträgt.

In diesen Fällen erhalten Vermieter den vollen Werbungskostenabzug. Liegt die Miete darunter, sind die Kosten aufzuteilen. Nach Ansicht des Finanzgerichts Thüringen (Urteil vom 22.10.2019, Az. 3 K 316/19) ist als Vergleichsgrundlage („ortsübliche Marktmiete“) jedenfalls dann nicht der ggf. günstigere örtliche Mietspiegel heranzuziehen, wenn der Steuerpflichtige zugleich eine entsprechende, im selben Haus liegende Wohnung an einen Dritten (teurer) vermietet.

Da gegen diese Entscheidung die Revision (Az. IX R 7/20) anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof entscheiden. |

Außergewöhnliche Belastungen: Rollstuhlgerechte Umbaumaßnahmen auch im Garten abziehbar?

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für alle Steuerpflichtigen

06 / 2020

Außergewöhnliche Belastungen: Rollstuhlgerechte Umbau­maßnahmen auch im Garten abziehbar?

von HVO GmbH

| Eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen begründet grundsätzlich eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht. Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung können daher grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein. Doch längst nicht alle Maßnahmen sind steuerlich begünstigt, wie ein Urteil des Finanzgerichts Münster zeigt. |

Sachverhalt

Eheleute bewohnen ein in ihrem Eigentum stehendes Einfamilienhaus mit Garten. Die Ehefrau leidet an einem Post-Polio-Syndrom, weshalb für sie ein Grad der Behinderung von 70 mit den Merkzeichen G und aG festgestellt wurde. Auf der Rückseite des Einfamilienhauses befindet sich eine Terrasse, die mit einem Rollstuhl erreicht werden kann. Auf der Vorderseite befanden sich ursprünglich Beete, die nur durch einen schmalen Fußweg zu erreichen waren. Diesen Weg ließen die Eheleute in eine gepflasterte Fläche umbauen und legten dort Hochbeete an.

Die Kosten (ca. 6.000 EUR) machten sie als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Die Maßnahme sei medizinisch notwendig gewesen. Zudem gehöre der Garten zum existenznotwendigen Wohnbedarf. Das Finanzamt versagte jedoch den Abzug. Es führte u. a. aus, dass die Möglichkeit, sich im Garten aufzuhalten, den durchschnittlichen Wohnkomfort übersteige.

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Im Klageverfahren beantragten die Eheleute hilfsweise eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen (= 20 % des in der Rechnung enthaltenen Lohnanteils).

Das Finanzgericht Münster hat die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen. Zwar gehört grundsätzlich auch das Hausgrundstück mit Garten zum existenziell notwendigen Wohnbereich. Abzugsfähig sind aber nur solche Aufwendungen, die den Zugang zum Garten und damit die Nutzung des Gartens dem Grunde nach ermöglichen. Und hieran scheiterte es im Streitfall, weil sich auf der anderen Seite des Hauses bereits eine Terrasse befand, die mit dem Rollstuhl erreichbar war.

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Dem Hilfsantrag, für 20 % der Lohnkosten eine Steuerermäßigung zu gewähren, hat das Finanzgericht indes stattgegeben.

PRAXISTIPP

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Münster ist bereits die Revision anhängig. Zudem ist ein weiteres Verfahren anhängig, in dem es um Aufwendungen für die Beseitigung von Biberschäden im Garten und an der Terrasse eines selbstgenutzten Einfamilienhauses geht. Hier muss der Bundesfinanzhof entscheiden, ob bzw. wann eine schwerwiegende Beeinträchtigung des lebensnotwendigen privaten Wohnens vorliegt. In vergleichbaren Fällen sollte Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 15.1.2020, Az. 7 K 2740/18 E, Rev. BFH Az. VI R 25/20, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 214250; weiteres anhängiges Verfahren beim BFH: Az. VI R 42/18

Gehaltsextras: Günstige Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit soll ausgehebelt werden

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Arbeitgeber

06 / 2020

Gehaltsextras: Günstige Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit soll ausgehebelt werden

von HVO GmbH

| Steuerfreie oder pauschalversteuerte Gehaltsextras müssen in vielen Fällen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. In drei Urteilen hatte der Bundesfinanzhof dieses Kriterium zugunsten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im vergangenen Jahr neu definiert. Nun soll dieser Rechtsprechung durch ein Nichtanwendungsgesetz der Boden entzogen werden. |

Hintergrund
Vielfach ist eine Steuerbegünstigung oder eine Pauschalversteuerung durch den Arbeitgeber nur zulässig, wenn die Gehaltsextras zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Dies gilt z. B. für

  • den steuerfreien Zuschuss zur betrieblichen Gesundheitsförderung bis zu 600 EUR je Arbeitnehmer im Kalenderjahr oder
  • die pauschal zu versteuernden Zuschüsse zu Fahrtkosten für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.

Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt zusätzlicher Arbeitslohn vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat.
Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist nicht schädlich für die Begünstigung. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, dann kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen.

Geplante Gesetzesänderung
Die Bundesregierung will diese erfreuliche Rechtsprechung aus 2019 nun durch eine Änderung des § 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aushebeln. Vorgesehen ist ein neuer Absatz 4 mit folgendem Wortlaut:
„Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

  • der Wert der Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt

wird.“

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Die gesetzliche Neuregelung soll am Tag nach der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
Nach der Gesetzesbegründung „sollen im gesamten Lohn- und Einkommensteuerrecht nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sein, nicht aber Leistungen, für die im Gegenzug der Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers abgesenkt wird.“

Relevanz für die Praxis

Der Referentenentwurf zeigt, dass die Freude über eine steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oft nicht lange währt. Denn nach der geplanten Neuregelung ist folgender Sachverhalt nicht steuerbegünstigt:

Beispiel:

AN hat einen arbeitsvertraglichen Gehaltsanspruch in Höhe von 3.000 EUR im Monat. Mit Wirkung ab 1.7.2021 wird das Gehalt auf 2.800 EUR reduziert und AN erhält zum Ausgleich einen Kindergartenzuschuss von 200 EUR.

Ein Kindergartenzuschuss ist nur steuerfrei, wenn er zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wäre dieses Kriterium hier erfüllt; nach der gesetzlichen Neuregelung aber nicht.

Erstaunlich ist die Art und Weise der Umsetzung: Denn die Neuregelung soll über das sogenannte Grundrentengesetz eingeführt werden, das hierfür alles andere als prädestiniert erscheint.

Auch wenn die Intention des Gesetzgebers klar ist, handelt es sich „nur“ um einen Referentenentwurf. Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten.

Quelle | Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundrente für langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz), Referentenentwurf der Bundesregierung mit Stand vom 16.1.2020; BFH-Urteile vom 1.8.2019, Az. VI R 32/18, Az. VI R 21/17, Az. VI R 40/17

Sky-Bundesliga-Abo als Werbungskosten

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Arbeitnehmer

03 / 2020

Sky-Bundesliga-Abo als Werbungskosten

von HVO GmbH

| Kosten für ein Sky-Bundesliga-Abo können nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf bei entsprechender beruflicher Veranlassung als Werbungskosten abzugsfähig sein. Im Streitfall ging es um einen bei einem Lizenzfußballverein angestellten Torwarttrainer. |

 

Im ersten Rechtsgang hatte das Finanzgericht den Werbungskostenabzug noch mit dem Argument abgelehnt, Zielgruppe des Pakets „Fußball Bundesliga“ sei kein Fachpublikum, sondern die Allgemeinheit. Die entsprechenden Kosten für ein Sky-Bundesliga-Abo seien daher – wie bei dem Bezug einer Tageszeitung – immer privat veranlasst, auch wenn ein Steuerpflichtiger ein berufliches Interesse daran habe.

 

Im Revisionsverfahren folgte der Bundesfinanzhof dieser Argumentation nicht. Aufwendungen für ein Sky-Bundesliga-Abo können danach Werbungskosten sein, wenn das Abo tatsächlich nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. Im zweiten Rechtsgang konnte das Finanzgericht Düsseldorf nun eine entsprechende, fast ausschließliche berufliche Veranlassung feststellen.

Praxistip

Auch wenn der Abzug der Sky-Abo-Kosten die Ausnahme bleiben wird, kommt eine steuerliche Berücksichtigung doch zumindest bei Arbeitnehmern im Profisport (insbesondere Fußballtrainer, Manager, sportliche Leiter u. Ä.) in Betracht. In diesen Fällen wird es in jedem Einzelfall auf die Darlegung des beruflichen Nutzens ankommen.

Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 5.11.2019, Az. 15 K 1338/19 E, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213355; BFH-Urteil vom 16.1.2019, Az. VI R 24/16

Vorsteuerabzug: Frist für Zuordnungsentscheidung steht auf dem Prüfstand

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Unternehmer

03 / 2020

Vorsteuerabzug: Frist für Zuordnungsentscheidung steht auf dem Prüfstand

von HVO GmbH

| Der Vorsteuerabzug bei nicht nur unternehmerisch genutzten Gegenständen
(z. B. Fotovoltaikanlagen) erfordert eine zeitnahe Zuordnung zum Unternehmensvermögen. Wurde die Zuordnung bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht dokumentiert, ist sie spätestens bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (31.7. des Folgejahres) gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen verlängern die Dokumentationsfrist nicht. An dieser Ausschlussfrist hat der Bundesfinanzhof nun aber Zweifel geäußert. |

Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger, der einen Gerüstbaubetrieb unterhält, errichtete ein Einfamilienhaus mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 150 qm, wovon auf ein Zimmer („Arbeiten“) ca. 17 qm entfielen (Fertigstellung 2015). Erst in der am 28.9.2016 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2015 (nicht aber in den zuvor eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen) machte der Steuerpflichtige für die Errichtung des Arbeitszimmers anteilig Vorsteuern geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug wegen der nicht rechtzeitig erfolgten Zuordnung des Zimmers zum Unternehmensvermögen.

Nach den vom Bundesfinanzhof entwickelten Kriterien zur Zuordnungsentscheidung wäre die Sichtweise der Finanzverwaltung zutreffend.

 

Der Bundesfinanzhof hat aber nun Zweifel geäußert, ob diese Sichtweise mit dem Unionsrecht in Einklang steht und hat dem Europäischen Gerichtshof im Kern zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 

  • Darf ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen?
  • Welche Rechtsfolgen hat eine nicht (rechtzeitig) getroffene Zuordnungsentscheidung?

Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof die restriktive deutsche Sichtweise ablehnt, macht ein Urteil aus 2018, in dem es um einen Fall aus Polen ging. Insbesondere folgende Passage ist von Bedeutung:

„Auch wenn eine eindeutige und ausdrückliche Bekundung der Absicht, den Gegenstand bei seinem Erwerb einer wirtschaftlichen Verwendung zuzuordnen, ausreichend sein kann, um den Schluss zu ziehen, dass der Gegenstand von dem als solchem handelnden Steuerpflichtigen erworben wurde, schließt doch das Fehlen einer solchen Erklärung nicht aus, dass diese Absicht implizit zum Ausdruck kommen kann.“

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In einem weiteren Verfahren, das den Erwerb einer Fotovoltaikanlage durch einen Privatmann betrifft, hat der Bundesfinanzhof ebenfalls den Europäischen Gerichtshof angerufen.

Quelle | BFH, Beschluss vom 18.9.2019, Az. XI R 3/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213869; BFH, Beschluss vom 18.9.2019, Az. XI R 7/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213872; BFH, PM Nr. 5 vom 30.1.2020; EuGH-Urteil vom 25.7.2018, Rs. C-140/17, „Gmina Ryjewo“

Zahlungen zur Abgeltung des Urlaubs bei Tod des Arbeitnehmers sind beitragspflichtig

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für Arbeitgeber

06 / 2020

Zahlungen zur Abgeltung des Urlaubs bei Tod des Arbeitnehmers sind beitragspflichtig

von HVO GmbH

| Zahlungen zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus Anlass des Todes des Arbeitnehmers lösen eine Beitragspflicht in der Sozialversicherung aus. Das haben die Spitzenorganisationen in der Sozialversicherung am 20.11.2019 beschlossen. |


Hintergrund

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hatten die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endete.

Mit Entscheidung aus 2019 hat sich das Bundesarbeitsgericht nun aber von seiner bisherigen Rechtsprechung verabschiedet und sich der anderslautenden Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs angeschlossen.

Sozialversicherung

Vor diesem Hintergrund halten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung an ihrer bisherigen Sichtweise nicht weiter fest. Urlaubsabgeltungen nach Beendigung der Beschäftigung durch Tod des Arbeitnehmers erfüllen einen während der Beschäftigung erworbenen Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers und sind somit als Arbeitsentgelt zu werten.

Diese Urlaubsabgeltungen stellen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dar, das nach den dafür vorgesehenen Regelungen der Beitragspflicht unterliegt, sofern die Abgeltung im Einzelfall tatsächlich gezahlt wird.

Beachten Sie |

Die neue Rechtsauffassung ist für Urlaubsabgeltungen, die nach dem 22.1.2019 (Datum des Urteils des Bundesarbeitsgerichts) gezahlt werden, anzuwenden.

Quelle | Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, Besprechungsergebnis vom 20.11.2019 (TOP 1), unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213667; BAG-Urteil vom 22.1.2019, Az. 9 AZR 45/16

Expertenanhörung zur Doppelbesteuerung der Rente

Aktuelles aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung

Für alle Steuerpflichtigen

06 / 2020


Expertenanhörung zur Doppelbesteuerung der Rente

von HVO GmbH

| Ende Januar 2020 nahmen Sachverständige in einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestags zu der viel diskutierten Frage der Doppelbesteuerung von Renten Stellung. Dabei herrschte Einigkeit, dass Arbeitnehmern, die jetzt in Rente gehen oder schon im Ruhestand sind, noch keine Doppelbesteuerung drohe, da die Hälfte ihrer Rentenbeiträge vom Arbeitgeber geleistet wurde und schon immer steuerfrei war. Je näher der Renteneintritt aber dem Jahr 2040 komme, umso größer werde das Risiko. |

Den Experten zufolge kommt es aber bereits heute bei freiwillig versicherten Selbstständigen zu Doppelbesteuerungen, weil es für sie keinen steuerfreien Arbeitgeberbeitrag gab.

Beachten Sie | Erste Fälle liegen inzwischen beim Bundesfinanzhof. Dessen Vorsitzende Richterin, Professorin Dr. Jutta Förster, führte während der Anhörung aus, dass es etwa um den Jahreswechsel 2020/2021 zu einer Entscheidung kommen könnte.

Hintergrund

Ursprünglich mussten Rentenbeiträge aus dem bereits versteuerten Einkommen abgeführt werden, während die Rentenbezüge später steuerfrei waren. Die Versteuerung war also vorgelagert. Beamtenpensionen dagegen mussten voll versteuert werden. Dies bewertete das Bundesverfassungsgericht 2002 als unzulässige Ungleichbehandlung.

Daraufhin entschied der Gesetzgeber, ab 2005 schrittweise auf eine nachgelagerte Besteuerung umzustellen:

  • Schrittweise bis 2025 sind immer größere Anteile der Rentenbeiträge von der Steuer absetzbar.
  • Gleichzeitig gelten immer größere Teile der Rente als steuerpflichtiges Einkommen. Wer ab 2040 in Rente geht, muss dann die gesamte Rente versteuern.

Quelle | „heute im bundestag“ (hib 134/2020) vom 30.1.2020